Der Literatur- und Theater-Kurs der Jahrgangsstufe 2 der Jörg-Ratgeb-Schule präsentierte am 28. und 29. Januar seine Eigenproduktion „Neun Frauen“ im großen Vortragssaal der Schule. Das Stück lehnte sich sehr frei an die französische Kriminalkomödie „Acht Frauen“ von Robert Thomas an, welche unter demselben Titel auch von François Ozon verfilmt wurde.
Ausgehend vom groben Handlungsgerüst der Vorlage entwickelten die neun Schülerinnen während des Semesters eine sehr freie Adaption, indem sie eigene Charaktere erfanden, familiäre Beziehungen neu ausloteten und dazu eigene Szenentexte schrieben.
Dreh- und Angelpunkt des Stückes bildet dabei das abwesende, männliche Familienoberhaupt, der sehr betuchte Großindustrielle Wilhelm, glücklich verheirateter Vater von drei Töchtern. Die durchweg weiblichen Familienmitglieder, Freunde und Hausangestellte kommen am 24. Dezember in mehr oder minder harmonischer Feierlaune zusammen, um im trauten Kreis das „Fest der Liebe“ zu begehen, doch unmittelbar davor findet die Köchin Priscilla (Pauline Okyere) zufällig das Familienoberhaupt tot im Keller liegen. War es ein tragischer Unfall? Selbstmord? Oder gar Mord? Es gibt keinerlei Spuren eines gewaltsamen Einbruches. Plötzlich wird den Frauen klar, dass der potentielle Mörder auch eine von ihnen sein kann. Doch wer sollte ein Motiv gehabt haben, Wilhelm, das unumstrittene Familienoberhaupt, zu töten? Die Schwägerin Emilia (Elisabeth Dite), eine renommierte Designerin, möchte auf keinen Fall die Polizei einschalten, um schlechte Publicity von sich abzuwenden und macht sich dadurch in den Augen der schrulligen alten Jungfer Hedwig, Wilhelms Schwester (Sophia J.), erst recht verdächtig.
Ausgehend von der bohrenden Frage, inwieweit jede einzelne in Beziehung zu Wilhelm stand, beginnen allmählich die sorgsam konstruierten Fassaden der verschiedenen Lebenslügen und Lebensillusionen zu bröckeln bzw. im Verlauf des Stückes krachend zu Boden zu gehen – wenn etwa die so verzweifelt weinende Ehefrau (Alicia Rex) am Ende des Stücks von ihrer Tochter (Katharina Schuster) als militante Tierbefreierin geoutet wird, die schon lang nichts mehr für ihren Mann übrig hatte und stattdessen die skandalösen Bedingungen in seinen Fabriken bekämpfte. Oder wenn sich etwa herausstellt, dass die beste Freundin (Tabea Reinacher) der jüngsten Tochter (Selina Reinacher) eine Affäre mit dem Vater hatte und vom Verführer auch noch geschwängert wurde. Und auch die „Vorzeigetochter“ (Evin Kilinc) lässt ganz zum Schluss ihre Maske fallen, und offenbart den zwischenzeitlich stark angetrunkenen Familienmitgliedern, dass ihr Jurastudium in Oxford eine reine Konstruktion gewesen sei, und sie stattdessen heimlich und gegen den Willen ihres Vaters in London Schauspielunterricht genommen hätte.
Ähnlich der französischen Vorlage flochten die neun Schülerinnen melodramatisch zugespitzte Beziehungsstränge zusammen, die mit viel Tempo, Witz und Sinn für Überraschungen auf die Bühne gebracht wurden. Gerade diese Doppelbödigkeit der einzelnen Figuren machte den großen Reiz der Handlung aus, verlangte den jungen Akteurinnen jedoch auch einiges an Schauspielkunst ab, doch sie meisterten diese Herausforderung mit viel Enthusiasmus und Spielfreude, welche vom Publikum an den beiden Abenden mit entsprechend begeistertem Applaus quittiert wurde.
Text/Fotos: Nadine Lindenthal
Die Medienwerkstatt unterstützte in allen technischen Belangen (Lichtsteuerung und Musik-Zuspielungen) im Vortragssaal der Jörg-Ratgeb-Schule und filmte die Abend-Aufführungen, um daraus eine DVD-Dokumentation für die Teilnehmer zu erstellen.