„Freiheit oder Tod“ auf der Bühne – Friedrich Schillers „Die Räuber“ an der Jörg-Ratgeb-Schule Neugereut

Am vergangenen Mittwoch, den 20.07.2016, feierten „Die Räuber“ Premiere im Vortragssaal der Jörg-Ratgeb-Schule. 18 Schülerinnen und Schüler des Literatur- und Theater-Kurses der JS1 hatten sich seit Januar mit der historischen Vorlage auseinandergesetzt und im Laufe des Semesters daraus eine eigene Inszenierungsvorlage entwickelt.

Schon bald kristallisierte sich dabei die Frage heraus, ob es auch in der heutigen Zeit Menschen vom Schlage eines Räuberhauptmanns Karl Moor geben könnte, welcher die Ideale von Freiheit und Gerechtigkeit auf radikale Art und Weise verwirklicht, um schließlich im Teufelskreis aus Gewalt und Gegengewalt unterzugehen.


Eine für den Kurs stimmige Parallele stellte hierbei die Geschichte der ersten RAF-Generation dar, die bei den Studentenprotesten 1968 politisch aktiv waren und sich schließlich immer mehr radikalisierten. Umso naheliegender war es dann, die Handlung aus dem 18. Jahrhundert ins Jahr 1968 zu verlegen. Aus dem Fürstentum der Familie Moor wurde ein Stuttgarter Privatbankhaus mit entsprechend wertkonservativer Haltung. Und Karl Moor (Semijel Mulalic und Lukas Loncar jeweils in Doppelbesetzungen), der Lieblingssohn des Seniorchefs (Fabian Merk), wird als idealistischer Studentenführer im wilden Berlin präsentiert, der statt BWL heimlich Philosophie und Politik studiert. Im fernen Stuttgart schmiedet indes der hinterhältige Bruder Franz (Marian Micke und Käthe Grüter) eine raffinierte Intrige, um selbst das Bankhaus übernehmen zu können. Dieser zweite Handlungsstrang bildet das eigentliche Herzstück der Vorlage, denn schließlich geht es bei Schiller vor allem um das Verhältnis der beiden Söhne zum Vater, der gleich zu Beginn klarstellt, dass „nicht Fleisch und Blut, sondern das Herz uns zu Vätern und Söhnen macht“. Und dieses Herz schlägt eindeutig für den älteren und in allem begünstigten Sohn Karl, ein Umstand, den der zweitgeborene Franz nur allzu deutlich zu spüren bekommt und welcher dank der cholerischen Anfälle des Alten auch für die Zuschauer sehr stark erlebbar wurde.

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alt= Karl Moor erhält in der Studentenkneipe von Schwarz den langersehnten Brief des Vaters
(v.l.n.r: Lars Müller, Lukas Schelchshorn, Semijel Mulalic, Pia Häußer, Cara Stöhr, Madeleine Montalbano, Janine Schwarz)

Franz schmiedet daher einen mehrstufigen Racheplan – ein fingierter Polizeibericht über angebliche Vergehen Karls bringen den Vater dazu, den scheinbar missratenen Sohn schweren Herzens zu enterben, und da Franz das Ableben des Vaters indirekt beschleunigen möchte, ersinnt er eine fiktive Todesnachricht des verstoßenen Lieblingssohns. Dieser wurde in der Inszenierung zu einem schaurigen Autopsiebericht eines angeblichen Autounfalls, der von einem Pathologen (Michael David) und einem falschen Polizisten (Turan Duvan) dem Vater und Karls Verlobter Amalia (gespielt von Julia Hammerschmidt und Maximilian Eisele) vorgetragen wurde. Parallel dazu verliert sich sein verstoßener Bruder Karl immer mehr in terroristischen Kreisen. Nachdem er von seiner Familie verstoßen wurde, glaubt er fälschlicherweise, nichts mehr verlieren zu können und lässt sich von seinen Mitstudenten dazu bewegen, Kopf einer Art „Stadtguerilla“ zu werden, die nun nicht mehr nur reden und demonstrieren wollen, sondern endlich auch handeln.

Die Räuber - Bild 2
Die Räuber - Bild 2 Franz Moor verfolgt scheinbar teilnahmslos vom Schreibtisch aus, wie die fiktive Todesnachricht seines Bruders dessen Verlobte Amalia und seinem Vater zusetzen (v.l.n.r.: Marian Micke, Julia Hammerschmidt, Michael David, Fabian Merk und Turan Duvan)

Dieses Handeln wird von seinem Widersacher Spiegelberg (Lukas Schelchshorn) entsprechend amoralisch und gewalttätig ausgelegt, wohingegen Karl eher im Sinne eines Robin Hood oder Che Guevara kämpfen möchte. Dieser Widerspruch zwischen den eigentlich hehren Idealen und den letztlich gewählten Mitteln klafft im Laufe des Stücks immer mehr auseinander. Als Karl noch einmal inkognito zum väterlichen Bankhaus zurückkehrt, muss er voller Entsetzen erfahren, dass er das Opfer einer perfiden Intrige geworden ist und so endet das Stück in einem tragischen Blutbad. Karl beschließt angesichts dieser Tragödie, seine Räuber entgegen des geleisteten Schwurs zu verlassen und sich freiwillig der Polizei zu stellen.

Der 18-köpfigen Truppe gelang es an allen vier Aufführungen, die verschiedensten Emotionen und Abgründe überzeugend darzustellen, und sie wurden daher im jeweils voll besetzten Vortragssaal immer wieder mit lang anhaltendem Applaus bedacht.

Fotos/Text: Nadine Lindenthal

Die Medienwerkstatt unterstützte in allen technischen Belangen (Lichtsteuerung und Musik-Zuspielungen) im Vortragssaal der Jörg-Ratgeb-Schule und filmte die Abend-Aufführungen, um daraus eine DVD-Dokumentation für die Teilnehmer zu erstellen.